Münster, 19. Januar 2019
Kommentar des Münsteraner Kreises zur Erstattung der Homöopathie durch gesetzliche Krankenkassen
In der aktuellen Debatte um die Frage, wer bestimmen soll, welche Leistungen von der Solidargemeinschaft bezahlt werden, hat sich nun auch die Barmer Krankenkasse zu Wort gemeldet. Laut Ärzteblatt online vom 14.1.2019 erklärt die Barmer: „Wir leben in einer zunehmend pluralen und selbstbestimmten Gesellschaft, in der die Vorstellungen von Gesundheit, Gesunderhaltung und Therapie nicht einheitlich gestaltet und vorgegeben werden sollten.“
Bislang entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss, was Kassenleistung wird und was nicht. Maßstab hierfür ist der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit. Vor wenigen Tagen hat Gesundheitsminister Jens Spahn für Unmut gesorgt, als er – anlässlich der Frage, ob Kassen Fettabsaugung bei Fettverteilungsstörungen bezahlen sollten – die Entscheidungshoheit in seinem Ministerium verorten wollte. In einem beispiellos wütenden Kommentar wies der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses Joseph Hecken das Ansinnen Spahns zurück.
Joseph Hecken sieht Spahns Vorstoß als Rückfall in eine Zeit, in der nicht die Wissenschaft, sondern einzelne Fachleute über wirksam und unwirksam entschieden. Im Wortlaut: „Der geplante neue § 94a SGB V kann nur als ‚Methodenbewertung super light‘ bezeichnet werden und ist ein Schritt zurück ins medizinische Mittelalter, denn er ersetzt in der Bundesrepublik Deutschland die mittlerweile sich weltweit sogar in Schwellenländern als Standard durchsetzende evidenzbasierte Medizin durch früher geltende Prinzipien der eminenzbasierten Medizin, die jahrhundertelang Grundlage für unwirksame und gefährliche Anwendungen war, wie etwa den Aderlass.“
Und nun bezieht also auch die Barmer öffentlich Position – allerdings ohne direkte Bezugnahme auf die aktuelle Diskussion. Ihr Statement war vielmehr gemünzt auf die Anfrage des Bundesverbandes Patienten für Homöopathie, warum sie denn freiwillig die Kosten für homöopathische Behandlungen bezahle. Das ist eine berechtigte Frage, gibt es doch für die Homöopathie keinen Anhaltspunkt für eine spezifisch pharmakologische Wirkung – entgegen den Behauptungen der unbeirrbaren Verfechter dieser Glaubensrichtung. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses übrigens hat sich diesen Behauptungen wiederholt erfreulich klar entgegengestellt.
Wie ist der Barmer-Satz nun im Kontext der aktuellen Debatte zu bewerten? Wir als Münsteraner Kreis halten daran fest: Unwirksames gehört auch im Zeitalter pluraler Therapiewünsche nicht in die solidarische Finanzierung. Wenn der Verzicht auf wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise laut Hecken einen Rückfall ins Mittelalter darstellt, dann sind Bekenntnisse zu „nicht einheitlich vorgegebenen“ Vorstellungen zur Wirksamkeit von Therapien ein Rückfall in die Steinzeit.