Anmerkungen zur „Homöopathie-Deklaration“

Münster, 1. März 2019

Erwiderung des Münsteraner Kreises auf den Beitrag „Homöopathie und intellektuelle Redlichkeit“ von Prof. Dr. Peter F. Matthiessen in der Deutschen Zeitung für Onkologie

In seiner Stellungnahme „Homöopathie und intellektuelle Redlichkeit“ [1], in der Ärztezeitung online auch als „Homöopathie-Deklaration“ bezeichnet [2], richtet Professor Dr. med. Peter F. Matthiessen im Namen des Dialogforums Pluralismus zahlreiche Vorwürfe an die Adresse der Homöopathiekritiker, namentlich auch an den Münsteraner Kreis. Wir weisen Kritik wie Stellungnahme hiermit zurück.
(1) Beleglage
Matthiessen schreibt, die publizierte Evidenz spräche für eine Wirksamkeit der Homöopathie und führt als Beleg dreizehn Veröffentlichungen an, ohne näher auf sie einzugehen. Anders Argumentierenden werden „Ignoranz“ oder „bewusste Fehlinformationen“ unterstellt.
Dagegen ist zu sagen: Weder die angeführten noch irgendwelche anderen Publikationen können die Wirksamkeit der Homöopathie zweifelsfrei belegen. Die in der Stellungnahme zitierten vier Systematischen Reviews [3 bis 6] verweisen selber auf die geringe Qualität und geringe Aussagekraft der vorliegenden ‚positiven‘ Studien. Man möge die Reviews lesen.
Anders als von Matthiessen behauptet, ist zudem der Beitrag von Hahn [7] keine unvoreingenommene Metaanalyse, sondern lediglich eine Zusammenfassung schon länger bestehender Kritikpunkte, wobei Hahn zudem keineswegs auf wohlbegründete Wirksamkeit schließt. Man möge den Beitrag lesen.
(2) Systematisches Review des Australischen NHMRC von 2015
Matthiessen schreibt, dass es sich hierbei nur um eine Literaturrecherche handle, die kleinere Studien von vornherein ausgeschlossen habe. Die Autoren des NHMRC hätten inzwischen eine ergebnisorientierte Fälschung zugegeben. Zudem habe die Arbeit kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen.
Dagegen ist zu sagen: Von den 225 analysierten Studien [8], deren kleinste nur vier Teilnehmer hatte, wurden solche mit weniger als 150 Teilnehmern als wenig aussagekräftig betrachtet. Die Auswertemethodik des NHMRC folgte dabei eingeführten Kriterien und wurde von der Cochrane Collaboration überprüft. Am Ende wurden lediglich fünf Studien als hochwertig und belastbar bewertet, was dem Ergebnis aller übrigen indikations-übergreifenden Reviews (nicht zuletzt des Homeopathy Research Institute) entspricht [6, 9-10]. Das NHMRC-Review wurde einem gründlichen und veröffentlichten Begutachtungs-prozess unterzogen [11]. Man möge ihn lesen.
(3) Situation in der Schweiz
Matthiessen schreibt, die Aufnahme der Homöopathie in den Leistungskatalog der Schweizer Gesundheitsversorgung sei aufgrund einer gründlichen positiven Evaluation erfolgt.
Dagegen ist zu sagen: Besagte Aufnahme der Homöopathie und anderer alternativmedizinischer Verfahren in den Leistungskatalog der Schweizer Krankenkassen erfolgte aufgrund eines Volksentscheids von 2009. Zuvor geforderte Wirksamkeitsnachweise konnten gleichwohl nicht erbracht werden [12]. Man lese nach.
(4) Grundgesetzlicher Schutz
Matthiessen schlussfolgert aus der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre, dass die arzneimittelrechtliche Sonderstellung der Homöopathie und ihre GKV-Erstattungsfähigkeit aus der Verfassung ableitbar seien.
Dagegen ist zu sagen: Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit homöopathischer Behandlungen und Präparate hat nichts mit der Gewinnung oder Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun, sondern stellt eine Entscheidung über Geldflüsse dar. Als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Lehre kann Homöopathie hingegen durchaus grundrechtlich geschützt sein.
(5) Redlichkeit
Matthiessen schreibt: „Beim Informieren der Öffentlichkeit über die therapeutische Wirksamkeit der Homöopathie sollten nicht vorgefasste subjektive Überzeugungen leitend sein, sondern die Bereitschaft zur intellektuellen Redlichkeit.“
Dazu ist zu sagen: Diesem Appell schließt sich der Münsteraner Kreis unbedingt an. Man möge allerdings dabei bedenken, dass für die Homöopathie weder Kausalerklärungen vorliegen, die mit den Grundlagen der Naturwissenschaften in Einklang zu bringen wären, noch Studien, welche die Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethoden nachweisen können.

Münsteraner Kreis

Literatur
[1] Matthiessen PF: Homöopathie und intellektuelle Redlichkeit – Eine Stellungnahme; Deutsche Zeitschrift für Onkologie (2018); 50:172-177
[2] NN: Evidenz: Globuli-Deklaration soll deeskalieren, Ärztezeitung online, 06.02.2019
[3] Kleijnen J, Knipschild P, ter Riet G: “Clinical trials of homeopathy“, BMJ 1991; 302:316-23
[4] Linde K, Clausius N, Ramirez G et al.: “Are the clinical effects of homeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials“, The Lancet (1997);350:834-843
[5] Cucherat M, Haugh CM, Gooch M et al.: “Evidence of clinical efficacy of homeopathy“, Eur. J Clin Pharmacol 2000;56:27-33
[6] Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA et al.: “Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2014;3:142
[7] Hahn RG: “Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data“,Forsch Komplementärmed(2013);20:376-381
[8] National Health and Medical Research Council. 2015. “NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions “, Canberra: NHMRC;2015 sowie die zugehörigen Anhänge.
[9] Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA et al.: “Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: Systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2017;6:663
[10] Mathie RT et al.: „Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled, Trials of Individualised Homeopathic Treatment“, Homeopathy (2018);107(04): 229-243
[11] National Health and Medical Research Council. 2015. “Summary of key issues: Draft information paper on homeopathy—expert review comments.“ NHMRC Advice on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. Canberra: National Health and Medical Research Council; 2015
[12] Bundesamt für Gesundheit (Schweiz): Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV) […] Vorgesehene Änderungen per 1. August 2017, Änderungen und Kommentar im Wortlaut