Münsteraner Memorandum Anthroposophische Medizin

Autoren: Oliver R. Scholz, Norbert Schmacke

November 2022

AUSZÜGE

Die von Rudolf Steiner (1861-1925) begründete Anthroposophie ist heute eine der erfolgreichsten „okkulten“ und „esoterischen“ Bewegungen. Die anthroposophische Bewegung entstand vor über hundert Jahren in Deutschland und der Schweiz. Nach Steiners Tod breitete sich die anthroposophische Bewegung weiter aus, zunächst in Mittel- und Nordeuropa (u.a. Niederlande, Frankreich, England); sie gewinnt aber auch in Osteuropa und außerhalb Europas (u.a. USA) vermehrt Anhänger.

In den Veröffentlichungen der anthroposophischen Bewegung wird Steiner als einer der bedeutendsten Denker der Menschheit – und zwar nicht nur als der größte Esoteriker des 20. Jahrhunderts, sondern ausdrücklich auch als herausragender Wissenschaftler und Philosoph – ausgegeben.

Nachdem eine akademische Karriere aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Frage kam, wandte sich Steiner um 1900 mit großem Elan der Esoterik zu, die um die Jahrhundertwende in Europa und den USA in vielfältigen Formen blühte. Im Februar 1913 initiierte Steiner eine Anthroposophische Gesellschaft, um sich damit institutionell scharf von der theosophischen Bewegung abzusetzen und eine eigene soziale und kulturelle Bewegung zu begründen.

Steiner berief sich auf besondere, nur ihm und seinen ergebensten Schülern zugängliche Erkenntnisquellen. So nahm er für sich ein besonderes Vermögen, „clairvoyantes Hellsehen“ oder „Hellsicht“ durch „Geistesaugen“, in Anspruch, das es ihm ermögliche, „die höheren Welten“ durch seine Visionen zu erkennen und die komplexesten Zusammenhänge, etwa im menschlichen Organismus, per „Wesensschau“ gleichsam zu „durchschauen“. Aufgrund dieser hellseherischen Fähigkeit konnte Steiner angeblich in der sog. „Akasha-Chronik“ lesen, einem immateriellen Buch, das eine Art umfassendes Weltgedächtnis enthalten sollte. Mithilfe dieser exklusiven Erkenntnisquellen traute sich Steiner zu, gegenwärtige, vergangene und zukünftige Phänomene „wahrzunehmen“ und auf dieser Grundlage allgemein anerkannte Lehren über die unterschiedlichsten Gegenstandsbereiche, von der biblischen Geschichte bis zur modernen Physik, in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu „korrigieren“.

Insgesamt hielt Steiner die Erweiterung unserer Erkenntnis jenseits intersubjektiv prüfbarer Methoden durch die Erkenntnisstufen (in anthroposophischer Terminologie) individuelle „Imagination“, „Inspiration“ und „Intuition“ für zielführend und sinnstiftend. Die von ihm verwendeten Kategorien, Methoden und Prinzipien bewegen sich dabei sämtlich außerhalb des modernen naturwissenschaftlichen und psychosozialen Wissens, ja außerhalb aller Traditionen kritischen Denkens, rationalen Argumentierens und wissenschaftlichen Arbeitens.

Die sich auf Steiner berufende Anthroposophische Medizin entbehrt jeder Rationalität und ist mit ihrer wissenschaftsaversen und ausgeprägt esoterischen Grundausrichtung für Kranke und Ratsuchende nutzlos bis gefährlich.

Das gesamte Memorandum gibt es hier als pdf-Download.