Münster 14. Juli 2018
Das Klinikum der Ludwig Maximilian Universität in München distanziert sich von der Homöopathie und hält dennoch in Patientenversorgung und Forschung an ihr fest
Seit kurzem findet sich auf der Homepage der zur LMU gehörenden Haunerschen Kinderklinik folgendes Statement:
Die Homöopathie ist eine höchst umstrittene komplementärmedizinische Methode. Die Vereinigung der Wissenschaftsakademien der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EASAC) hat mahnend darauf hingewiesen, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für die Wirksamkeit homöopathischer Medikamente gibt. […] Die Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital unterstützt die Inhalte dieser Publikation.
Das klingt eindeutig. Die Information endet freilich wie folgt:
Angesichts der Wünsche vieler Eltern setzen wir uns aber auch für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Homöopathie und anderen komplementärmedizinischen Therapien ein.
Eine Universität, die in Patientenversorgung, Forschung und Lehre wissenschaftlichen Grundsätze verpflichtet ist, widerspricht sich selbst, wenn sie an einer wissenschaftsfremden Glaubensrichtung wie der Homöopathie festhält. Im Rahmen des Projekts Integrative Pädiatrie werden, so deren Leiterin Frau Dr. Siegrid Kruse, am Haunerschen Kinderspital inzwischen „von allen Stationen und Abteilungen der Klinik, jährlich insgesamt ca. 1000 Patienten“ homöopathisch behandelt. So stellte Frau Dr. Kruse der Öffentlichkeit 2017 unter anderem in der „Allgemeinen Homöopathischen Zeitung“ die Ergebnisse einer eigenen Beobachtungsstudie zum ergänzenden Einsatz von Homöopathika bei 20 Kindern vor, die an dem Prader-Willi-Syndrom leiden, einer schweren, chromosomal bedingten Erkrankung. Kernergebnis laut Frau Dr. Kruse: „Unter homöopathischer Therapie verbesserten sich 17 von 20 Kindern in verschiedenen Bereichen.“ Die Aussage ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nur erkennbar wertlos, die Studie hätte überhaupt nicht durchgeführt werden dürfen. Es stellen sich hierzu grundlegende Fragen:
• Worin wurde die Berechtigung zum Einsatz von Homöopathika bei diesem Krankheitsbild gesehen?
• Gibt es eine Stellungnahme der Ethikkommission?
• Wie wurden die Eltern im Rahmen der Einwilligungserklärung über den Einsatz dieser „höchst umstrittenen Methode“ aufgeklärt?
Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob es sich überhaupt um eine neue Untersuchung gehandelt hat oder ob in dem Abstract (eine aktuelle Vollveröffentlichung ist nicht auffindbar) ein Rückgriff auf eine fast identisch erscheinende ‚Beobachtungsstudie‘ aus dem Jahr 1997 stattfand.
Der Münsteraner Kreis ist der Ansicht, dass die LMU ihrer Reputation als internationale wissenschaftliche Forschungsinstitution nur gerecht werden kann, wenn sie sich vom Einsatz der Homöopathie in der Patientenversorgung trennt. Ebenso muss in der Lehre über die häufig fehlende wissen¬schaftliche Fundierung der sogenannten komplementärmedizinischen Verfahren aufgeklärt werden statt diese weiter durch Anhänger der Methoden in Forschung, Klinik und Lehre adeln zu lassen.
Prof. Dr. Norbert Schmacke • Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert • Dr. Christian Weymayr