Erwiderung des Münsteraner Kreises auf Stellungnahme zum Heilpraktikerrecht („Sasse-Gutachten“)

Münster/Berlin 22.12.2017

Das „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ ist breit beachtet und kommentiert worden.
Seitens des Berufs- und Fachverbands Freie Heilpraktiker e.V. wurde Dr. René Sasse für die Anfertigung einer juristischen Stellungnahme zu den Ausführungen des Münsteraner Memorandums herangezogen. Herr Dr. Sasse ist Rechtsanwalt und berät nach Angaben auf der Webseite seiner Kanzlei schwerpunktmäßig Heilpraktiker und Heilpraktikerverbände. Sasse hat ein an den Vorsitzenden des vorbezeichneten Verbandes, Herrn Dieter Siewertsen, adressiertes Kurzgutachten aus Anlass des Münsteraner Memorandums erstellt, welches nun nicht selten in der öffentlichen Diskussion als Argument gegen das Münsteraner Memorandum herangezogen wird.
In dem Kurzgutachten stellt Sasse allerdings im Wesentlichen nur die derzeit bestehende Rechtslage dar. An verschiedenen Stellen nimmt er dabei Bezug auf die Vorschläge des Münsteraner Kreises und ordnet diese in das bestehende System des Heilpraktikerrechts ein.
Tatsächlich werden die Argumente des Münsteraner Memorandums, die die derzeitige Rechtslage als nicht länger tragbar beschreiben, durch die Ausführungen jedoch nicht entkräftet. Im Gegenteil besteht bei der Darstellung der aktuellen Rechtslage weitgehend Einigkeit, bei der Beurteilung derselben kommt es jedoch zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen:
So stellt Sasse zutreffend die derzeitige rechtliche Regelung der Heilpraktikerprüfung dar und nimmt auch Bezug auf die durch das „Dritte Pflegestärkungsgesetz“ angestoßenen Änderungen. Er erörtert, welche Inhalte in der Heilpraktikerprüfung abgefragt werden und wie die Prüfung insgesamt abläuft. Allerdings, und hier besteht der größte Unterschied, verneint das Gutachten in dem Status Quo eine Gefahr für das Patientenwohl.
Demgegenüber ist es aus Sicht des Münsteraner Kreises untragbar, dass die zutreffend dargestellte Prüfung rein theoretischer Natur ist. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Heilpraktiker im Selbststudium ohne einen Tag praktischer Tätigkeit, nach Bestehen dieser einen Prüfung, eine Praxis eröffnet und Patienten behandelt. Hierbei darf er sich auch invasiver Behandlungsmethoden bedienen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, warum die in der öffentlichen Diskussion häufig ins Feld geführten angeblich gut ausgebildeten Heilpraktiker selbst, ebenso wie die Berufsverbände und die Heilpraktikerschulen, offensichtlich kein Interesse daran haben, dieses eklatante Lücke im System zu schließen um ihren Berufsstand vor schwarzen Schafen zu schützen.
Der Staat ist dem Patientenwohl verpflichtet. Es kann nicht einerseits ein Heilberuf staatlich anerkannt sein, der neben dem Arzt Patienten behandeln darf, für den aber nicht Sorge getragen wird, dass Angehörige dieses Berufes sicher Gefahren für die Gesundheit ihrer Patienten erkennen und alles zur Abwendung der Gefahr Notwendige unternehmen.
Und hierfür reicht ohne Frage das in dieser einen verpflichtenden theoretischen Abschlussprüfung abgefragte Wissen nicht aus. Niemand würde einen Arzt, eine Krankenschwester, einen Krankenpfleger eine Hebamme oder einen Angehörigen eines anderen Heilberufes aufsuchen, wenn ihm bewusst wäre, dass diese Person nur eine einzige Prüfung absolviert und im Rahmen der Vorbereitung dieser einzigen Prüfung nicht einen Tag praktisch unter Anleitung durch einen Arzt gearbeitet haben muss. Selbst wenn dies durch verantwortungsbewusste Heilpraktiker freiwillig geleistet sein sollte, ist allein die theoretische Möglichkeit und die weitgehende Realität mit der Verpflichtung gegenüber dem Wohle des Patienten nicht in Einklang zu bringen.
Der Einwand in dem Kurzgutachten, eine einheitliche staatlich geregelte Heilpraktikerausbildung sei aufgrund der Heterogenität der Tätigkeit der Heilpraktiker kaum möglich, ist angesichts der Vielfalt der Methoden im ärztlichen oder pflegerischen Beruf mit ihrer hohen Qualitätssicherung widerlegt. Selbstverständlich könnte man ein Ausbildungssystem schaffen, in der auf die praktische Ausbildung in der Anwendung grundlegender medizinischer Techniken am Patienten gleichermaßen wie auf eine wissenschaftliche Überprüfung der theoretischen Inhalte ein Fokus gelegt wird. Eben eine solche theoretische und praktische Grundausbildung fordert das Münsteraner Memorandum als Mindeststandard. Die Erarbeitung eines solchen Ausbildungssystems ist nicht einfach, aber die Erhaltung des Status Quo dürfte in niemandes Interesse liegen, der ernsthaft am Wohl des Patienten interessiert ist.
Wenig überzeugend ist auch die Argumentation, dass der Staat die staatliche Anerkennung vermeidet und deshalb die Bestrebungen einer Qualifizierung des Berufsstandes sabotiert habe und es deshalb beim Status Quo bleiben müsse. Zentral ist das Wohl des Patienten und nicht die Ableitung angeblich historisch ver- und geschuldeter Privilegien für eine Berufsgruppe.
Zutreffend werden in dem Gutachten die geltenden Berufsausübungsregelungen für Heilpraktiker referiert und auf Pflichten wie die Hygieneüberwachung, Sorgfaltspflichten und Werberegeln für Heilpraktiker verwiesen. Der Heilpraktiker schwebt entsprechend der Darstellung von Sasse selbstverständlich nicht im rechtsfreien Raum bei der Ausübung seines Berufes. Diese Schlussfolgerung ist dem Münsteraner Memorandum auch nicht zu entnehmen. Der Patient – und dessen Sicht ist in dieser Diskussion maßgeblich – schließt aus einer Berufsbezeichnung mit der staatlichen Anerkennung darauf, dass der ihn Behandelnde eine umfassende Ausbildung aufweist. Die Möglichkeit, dass der vor dem Patienten sitzende Heilpraktiker nur die Heilpraktikerprüfung erfolgreich absolviert, aber weder eine geordnete theoretische noch eine praktische Ausbildung durchlaufen hat, wird in der Regel kein Patient erwarten. Insofern ist die staatliche Regelung der Ausbildung eine notwendige Beseitigung einer systematische Desinformation des Patienten.
Aus unserer Überzeugung braucht eine eigenverantwortliche Tätigkeit am Patienten eine Ausbildung und eine auf ihr aufbauende regelmäßige qualitätsgesicherte Fortbildung. Eine solche Aus- und Fortbildung ist nach derzeitiger Rechtslage aber nicht zwingend vorgesehen – ganz im Unterschied zu allen Berufsgruppen, die sich sonst mit Patienten und der Gesundheit derselben, beschäftigen. Hier fordern wir die Politik zum Handeln im Sinne des aktiven Patientenschutzes auf.

Münsteraner Kreis