Münsteraner Memorandum „Integrative Medizin“

Autoren: Edzard Ernst, Hans-Georg Hofer, Claudia Nowack

Oktober 2022

Einführung

Die Zusammenführung von Alternativmedizin und konventioneller Heilkunde wird seit den 1990er Jahren zunehmend als Integrative Medizin (IM) bezeichnet und hat andere Termini dieses Bereichs weitgehend abgelöst. Heute ist IM in Deutschland auf allen Ebenen vertreten. 

Die IM wird oft mit der These von dem ‚Besten beider Welten‘ charakterisiert. Eine allgemein anerkannte Definition der IM existiert jedoch nicht. Gängige Beschreibungen der IM betonen: 

  • die Kombination von konventionellen und komplementären Verfahren, 
  • die Ganzheitlichkeit im Verständnis der Heilkunde, 
  • die hohe Bedeutung der Arzt-Patienten Beziehung, 
  • die Hoffnung auf einen optimalen Therapieerfolg, 
  • die Fokussierung auf den Patienten, 
  • den hohen Stellenwert des Erfahrungswissens. 

Bei genauerem Hinsehen zeigen die Beschreibungen der IM zahlreiche Ungereimtheiten. Es wird z.B. von ärztlicher Medizin gesprochen, aber auch betont, dass alle relevanten Berufe einbezogen würden. Es wird die wissenschaftliche Evidenz hervorgehoben, aber gleichzeitig betont, dass IM selbst Behandlungsweisen wie die Homöopathie inkludiere und lediglich durch Evidenz ‚geleitet‘, also nicht wirklich evidenzbasiert sei. Es wird behauptet, IM sei ‚ergänzend zur wissenschaftlich begründeten Medizin‘ zu verstehen; dies impliziert jedoch, dass IM selbst nicht wissenschaftlich begründet ist. 

Die These vom ‚Besten beider Welten‘ beeindruckt viele. Was jedoch unter dem ‚Besten‘ zu verstehen ist, bleibt für IM unklar. Viele ihrer Ansprüche sind elementare Bestandteile jeder guten Medizin und können somit nicht zu ihren charakterisierenden Eigenschaften gezählt werden. Schließlich ist kaum zu übersehen, dass die Anhänger von IM diese als Vorwand benutzen, um unbewiesene oder widerlegte Verfahren in die konventionelle Medizin einzubringen. Entgegen anderslautenden Versprechungen hat IM kein erkennbares Potential zur Verbesserung der Medizin. Sie stiftet vielmehr Verwirrung und bringt Gefahren mit sich. 

Vor diesem Hintergrund ist zu fordern, dass IM auf allen Ebenen kritisch hinterfragt wird.

Das gesamte Memorandum gibt es hier als pdf-Download.